Tag des Protests
23. November 2010

Tag des Protests

Am 17. November ruft der Rektor zum Protest. 3,75 Millionen Euro will der bayerische Staat der Regensburger Uni abzwacken. Aufgeklärte Studenten prophezeiten einstens, mit Einführung von Studiengebühren werde sich der Staat mehr und mehr aus seiner monetären Verantwortung stehlen. Damals ging Strothotte mit allen feinen und unfeinen Mitteln gegen die Protestierenden vor. Jetzt ruft er selbst zur Demo. Eine erstaunliche Unverfrorenheit.

Der Platz vor der Kugel ist so voll wie 1997 und 2003. Offensichtlich ist es immer der selbe Prozentsatz, der den Arsch hochbekommt.

In halbwegs ordentlicher Reihe geht’s wie üblich zum Domplatz. Dort steht aber seit neuestem das Denkmal für den Antidemokraten Ludwig I. Es zwingt die Redner/innen, statt von der zentralen Postempore von einem in die Ecke gestellten LKW herab zu predigen. Wieder ein Sieg für die Monarchie.

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Die Akustik ist lausig. Ohne Kenntnisse in Lippenlesen ist den Damen und Herren kaum zu folgen. Doch warum aufregen. Es herrscht fröhliche Beliebigkeit. Sogar ein CSU-Politiker darf ans Mikrofon. Er wird ein bißchen ausgebuht, aber die meisten machen sich nicht einmal diese Mühe. Auch SPD und Grüne versuchen sich beim studentischen Wahlvolk lieb Kind zu machen. Gerade diese Parteien haben Bertelsmanns CHE zum heimlichen Bildungsministerium befördert und so die Bildung der Wirtschaft überantwortet. Jetzt die großen Bildungsverteidiger/innen zu geben ist fast noch peinlicher als Strothottes Demoaufruf.

Nach Saschas Statement verlasse ich die Örtlichkeit. Kaufe Brot bei meiner Lieblingsbäckerin. Eigentlich, sagt sie, müßten wir alle mitdemonstrieren. Das ist die Krux des deutschen Widerstands, dieses verdammte „eigentlich“.

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Doch damit ist der Tag noch nicht zuende. Das Studentenwerk möchte den Studis die kulturellen Möglichkeiten an der Uni vorführen und lädt ins Theater. Wir studentischen Theatergruppen dürfen uns mit Bildern und in Persona präsentieren. Das ueTheater plakatiert seine Pinwand mit einem einzigen Spruch: „Wirtschaft raus aus der Bildung!“ Einer braven Pantomimegruppe ist das sichtlich unsympathisch. Sie rückt mit ihrem Pantomimetischchen so weit ab als möglich. Später raunt deren Leiter mir zu, ich solle es nicht persönlich nehmen.

Eine Mitarbeiterin der Kultur führt in den Abend ein. Unter Anspielung auf die Demo meint sie, wir wollen jetzt alles Unangenehme draußen lassen. Entsprechend verläuft der Abend. Beweihräuchernde Reden, „super Möglichkeiten“, eine lustig zusammengestöpselte Lichtschau und schließlich, als Klimax der Heiterkeit: Improtheater. Kein Wort über die Unmöglichkeit von studentischer Kunst in Zeiten von Turbostudium und Brutalogebühren. Alles Sonne Wonne Eierschaum.

Immerhin zeigen sich nach dem offiziellen Teil einige am ueTheater interessiert. Kraft für einen neuen Tag.

(Kurt Raster)